Resilienz – Gedeihen trotz widriger Lebensumstände

Wie können Menschen auch unter extremen Belastungen gesund und flexibel bleiben?

Was genau ist Resilienz und wie kann ich diese Widerstandskraft bei mir verbessern?

Welche Resilienzfaktoren gibt es und wie kann ich diese stärken?

In meinen letzten blog’s haben Sie eine Menge über das 7+7 gesunder Lebensführung® und über die 7 essentiellen BASIS Grundbedürfnisse gelesen. Sie haben im Laufe des letzten Jahres 7 Resilienzbooster & Übungen zur Stärkung der Lebenskraft kennengelernt und wissen ganz gut, was notwendig ist, um nicht auszubrennen, um gesund, kraftvoll und lebensfroh zu sein und vor allem auch zu bleiben.

Heute werde ich etwas ausführlicher auf die 7 Resilienzfaktoren eingehen und auch erste Möglichkeiten anführen, wodurch diese zu stärken sind. Vermutlich werden Sie bei einigen der Faktoren das Gefühl haben, dass Sie hierin ganz gut sind. Bei anderen wiederum stellen Sie womöglich fest, dass Sie hier noch Potenzial haben und diese Bereiche gerne stärken möchten. Neben wissenschaftlichen Aspekten fließt in die folgenden Zeilen vor allem auch meine Erfahrung als Traumatherapeut ein.

Ich arbeite seit vielen Jahren immer wieder mit Menschen, die schweren Belastungen, Traumata und Tragödien ausgesetzt waren. Meine Erfahrung – und die der Traumaforschung – zeigen, dass Menschen, mit starken Resilienzfaktoren es schaffen solche Tragödien besser zu überstehen als andere. Von diesen Menschen habe ich viel gelernt. Von diesen Menschen können wir alle viel lernen.

Die 7 Resilienzfaktoren

Resilienzfaktoren sind überdauernde Fähigkeiten, welche Menschen helfen schwierige Situationen, Herausforderungen und Krisen zu meistern und dabei gesund zu bleiben. Resilienz ist die Fähigkeit trotz großer Belastungen gesund zu bleiben. Menschen mit hoher Resilienz, meistern selbst extreme Belastungen, schwierige Lebensbedingungen oder gar traumatische Erfahrungen. Die 7 Resilienzfaktoren sind an die OPD 2 (2006), die moderne Bindungsforschung und die Ausführungen bei Fröhlich-Gildhoff / Rönnau-Böse (2014) angelehnt. Die OPD 2 beschreibt ein sehr gut beforschtes Modell der inneren psychischen Strukturen des Menschen. Dieses berücksichtigt die modernsten psychodynamischen Erkenntnisse sowie aktuelle neurobiologische, neuropsychologische und entwicklungspsychologische Forschungen. Bei allen seriösen Autoren, die sich mit Resilienz befassen, werden Sie zumindest einige der Strukturebenen wiederfinden. Insbesondere Selbstreflexion, Affekttoleranz, Impulskontrolle, Empathie, Objektwahrnehmung (Fremdwahrnehmung) und Regulierung des Objektbezuges (Beziehungsgestaltung).

1. Selbst- und Fremdwahrnehmung

Hierin enthalten sind Selbstreflexion, die Differenzierung von Gefühlen (Affekten), die Fähigkeit zur Mentalisierung und ein Interesse an eigenen inneren Prozessen: „Ich weiß was ich denke und warum, was ich fühle und warum, wer ich bin und versuche mich selbst zu verstehen.“

Es bedeutet auch ein Bild davon zu haben, das andere Menschen anders sind als man selbst und auch andere innere Arbeitsmodelle in sich tragen.
„Du denkst, fühlst und bist anders als ich und das ist in Ordnung.“

Gestärkt und trainiert werden kann dieser Bereich durch: Achtsamkeitstraining, Psychodynamisches Coaching, Selbst-Fremdwahrnehmungstraining.

2. Selbststeuerung- und Fremdsteuerung

Dieser Faktor enthält die Regulation von Impulsen und Gefühlen, diese in adäquater Weise in sich und auch in Beziehungen zu regulieren. Er beinhaltet Interessensausgleich, die Fähigkeit Beziehungen zu schützen, Beziehungsstress zu regulieren und die Fähigkeit, die Auswirkungen eigener Handlungen und die Handlungen anderer Menschen in wichtigen (Arbeits-) Beziehungen zu antizipieren: „Ich beschädige mich selbst und unsere Beziehung nicht dadurch, dass ich meine Gefühle und Impulse unreflektiert bei Dir ablade.“ „Ich kann Gefühle in mir nicht nur verstehen, sondern auch aushalten. Ich muss sie nicht wegdrücken und an anderer Stelle dafür explodieren oder sie mit Alkohol, zu viel Essen, Medikamenten oder anderen Substanzen betäuben“

Gestärkt und trainiert werden kann dieser Faktor durch: Achtsamkeitstraining, Psychodynamisches Coaching, Selbststeuerungs- und Emotionstraining, Selbstwert- und Selbstsicherheitstraining

3. Soziale & emotionale Kompetenz

Dieser Faktor ist enorm wichtig und wird trotzdem allzu häufig vernachlässigt. Hierin enthalten ist die Fähigkeit eigene Gefühle wahrzunehmen, diese sozial verträglich in Beziehungen mitteilen zu können, Empathie, Antizipation und die Fähigkeit zur Konfliktlösung. Menschen sind vor allem fühlende Lebewesen und Affekte sind Teil menschlicher Primärkommunikation. Emotionen sind somit wesentlicher Bestandteil menschlicher Interaktion und Kommunikation: „Ich kann auf andere Menschen zugehen, Kontakt mit ihnen aufnehmen. Ich kann meine eigenen Gefühle wahrnehmen und adäquat mitteilen. Ich kann mich in andere einfühlen und dadurch soziale Situationen einschätzen. Es ist mir möglich mich selbst zu behaupten und Konflikte zu lösen.“

Gestärkt und trainiert werden kann dieser Faktor durch: Achtsamkeitstraining, Psychodynamisches Coaching und Soziales- und Emotionales Kompetenztraining, Empathie Training, Mitgefühl Training (vgl. T. Singer, 2013)

4. Situative Stressbewältigungskompetenz

Hierzu gehören das Erkennen stresserzeugender Situationen, sowie adäquater und gezielter Einsatz von variablen Bewältigungsstrategien unter Berücksichtigung eigener Ressourcen. Das bedeutet vor allem auch eigene Grenzen der Belastbarkeit zu kennen und die Fähigkeit sich bei Bedarf Hilfe holen zu können. Hier wird eine enge Verbindung mit dem Bedürfnis nach Selbstwert deutlich. Menschen mit einem schwachen Selbstwert fällt es schwer eigene Grenzen einzugestehen, entsprechende Bedürfnisse zu artikulieren und sich von Anderen Hilfe zu holen: „Ich kann einschätzen, welche Situationen für mich zu bewältigen sind und wann ich mir Unterstützung holen muss. Ich kenne meine Stressreaktionen und habe Bewältigungsstrategien dafür.“

Gestärkt und trainiert werden kann dieser Faktor durch: Achtsamkeitstraining, Psychodynamisches Coaching, Mental Coaching, Selbstwert- und Selbstsicherheitstraining, Stressmanagement Training

5. Selbstwirksamkeit & Selbstwirksamkeitserwartung

Das Gefühl von Selbstwirksamkeit ist ein Prädiktor für psychische Gesundheit. Die Gewissheit Anforderungen bewältigen zu können, ein realistischer Attribuierungsstil, internale Kontrollüberzeugungen und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, helfen Menschen Hindernisse zu überwinden und Ziele zu erreichen. Selbstwirksamkeit erfüllt nahezu alle Grundbedürfnisse, vor allem aber Autonomie, Selbstwert, Sinn, Identität, Kontrolle und Orientierung, sowie Exploration: „Ich bin wirksam in der Welt, kann mich auf mich und meine Fähigkeiten verlassen. Ich kann Hindernisse auf dem Weg zu meinen Zielen überwinden.“

Gestärkt und trainiert werden kann dieser Faktor durch: Psychodynamisches Coaching, Mental Coaching, Selbstwert- und Selbstsicherheitstraining.

6. Problemlösefähigkeit & Zielorientierung

Dieser Faktor ist eng mit dem Faktor Selbstwirksamkeit verbunden. Er enthält die Fähigkeit sich klar definierte Ziele zu setzen, diese mit Disziplin und Beständigkeit zu verfolgen und die dazu notwendigen Strategien zur Analyse und Bearbeitung von Problemen einzusetzen: „Ich setze mir realistische Ziele und verfolge sie mit Beständigkeit. Ich habe Freude, Mut und die Fähigkeit Ziele, die ich mir gesteckt habe zu erreichen und lasse mich von Misserfolgen nicht sofort entmutigen.“

Gestärkt und trainiert werden kann dieser Faktor durch:
Achtsamkeitstraining, Psychodynamisches Coaching, Mental Coaching, Selbstwert- und Selbstsicherheitstraining, Selbststeuerungs- und Emotionstraining, allgemeines & individuelles Problemlösetraining

7. Positive Grundhaltung

Menschen die eher das halb volle als das halb leere Glas sehen, haben einen realistischen Optimismus, wie es Reivich & Shatté nennen (2002). Vielmehr beinhaltet es aber auch den Glauben an sich, Glaube an das Leben und ein Gefühl des Eingebettetseins in die Natur und das Universum. Mit diesem Faktor werden vor allem die Grundbedürfnisse nach Sinn, Identität und nach Kohärenz erfüllt. Eine hohe Ausprägung dieses Faktors zeigt sich unter anderem in großer Zuversicht und einem Denken in Möglichkeiten, statt in Begrenzungen: „Ich glaube an mich und das Leben und weiß, dass in Krisen auch Chancen enthalten sind.“

Gestärkt und trainiert werden kann dieser Faktor durch: Achtsamkeitstraining, Psychodynamisches Coaching, Mentales Coaching, Selbstwert- und Selbstsicherheitstraining und insbesondere durch Positivitäts- und Dankbarkeitstraining.

Im nächsten Teil dieses BLOG erfahren Sie, wie Sie ganz konkret an der BASIS Ihrer Grundbedürfnissen arbeiten und hier Ihre innere Bilanz verbessern können. Zudem wird es immer wieder Übungen geben, die Ihre Resilienz und Ihre psychische Widerstandskraft stärken werden. Oder Sie starten heute schon damit und suchen sich einen oder zwei der Resilienzbooster aus und nutzen diese jeden Tag. Die Anleitungen zu den Resilienzboostern finden Sie in meinen vorausgehenden BLOG-Einträgen.

Wenn Sie sofort mehr erfahren wollen oder an sich und an Ihrer BASIS arbeiten möchten, dann machen Sie doch gern einen Termin bei mir aus oder besuchen einen meiner Workshops.

Wenn Sie Führungskraft sind, dann interessiert Sie sicher mein Artikel: „Führt schlechte Führung zu Burnout?“

Herzlichst Ihr

AK

Wenn Du auch regelmäßig über neue Übungen und Texte von mir informiert werden möchtest – dann schicke mir einfach eine email an: kontakt@andre-kellner.de

 

Quelle:
André Kellner (2015): Das 7+7 gesunder Führung – Psychologisierung von Führungskräften als BGM Maßnahme. Erschienen in „Wirtschaftsfaktor Gesundheit: Wie Ihr Unternehmen durch Corporate Health gesünder und leistungsfähiger wird.“
Hrsg. O. Foitzik.

Literatur
Antonovsky, A. (1997): Salutogenese: Zur Entmystifizierung der Gesundheit. dgvt. Tübingen

Arbeitskreis OPD, Herausgeber. (2006): Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik OPD-2, Bern: Verlag Hans Huber, Hogrefe AG

Brisch, K.H. (2010): Bindungsstörungen. Klett-Cotta. 9., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage.

Fröhlich-Gildhoff, K.; Rönnau-Böse, M. (2014): Resilienz. Stuttgart. UTB Verlag

Grawe, K. (2004) †: Neuropsychotherapie. Hogrefe

Polster, E. & M.(1983): Gestalttherapie. Theorie und Praxis der integrativen Gestalttherapie. Geist und Psyche. Fischer. Frankfurt a. M.

Reivich, K.; A. Shatté (2002): The resilience factor. Broadway Books, USA

Schore, A. N. (2007): Affektregulation und Reorganisation des Selbst. Klett-Cotta. Stuttgart.

Schore, A.N. (2012): Schaltstellen der Entwicklung. Klett-Cotta. Stuttgart.

Singer, T.; Bolz, M. (2013). Mitgefühl in Alltag und Forschung. Ebook, http://www.compassion-training.org/